Die Funktionsweise von berufsbezogenem schwarzen Humor

Donnerstag, 25. September 2025
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Quelle: Nishan Kv auf Unsplash

Lesedauer: 6 Minuten

Schwarzer Humor gilt oft als geschmacklos oder pietätlos. Doch in bestimmten Berufen ist er weit mehr als nur Provokation, er ist ein Überlebensmechanismus.

Vor allem bei Soldaten, die im Einsatz mit Tod, Gewalt und Kontrollverlust konfrontiert sind, hilft der makabere Witz, seelischen Abstand zu wahren. Was für Außenstehende kalt wirkt, ist oft ein Ventil für Angst, Ohnmacht und Trauer.

Auch Rettungssanitäter oder Tatortreiniger nutzen schwarzen Humor, um das Unerträgliche fassbar zu machen. Er schafft Distanz, Zusammenhalt und manchmal sogar einen Rest von Normalität im Ausnahmezustand.

Dieser Beitrag beleuchtet, wie schwarzer Humor in extrem belastenden Berufen funktioniert, warum man ihn nicht vorschnell verurteilen sollte und wie man als Vorgesetzter mit diesem Phänomen umgeht.


Für viele Soldaten ist das keine hypothetische Frage. Wer in einem Einsatzgebiet geduckt hinter Sandsäcken in provisorischen Bunkern sitzt, während draußen Mörser, Drohnen und Artilleriegranaten einschlagen, braucht manchmal etwas anderes als reines Heldentum, nämlich eine Form von innerer Rüstung.

Und oft besteht diese Rüstung aus bitterbösen Witzen. Bspw. wenn jemand ruft: Zum Glück war’s nur die rechte Niere. Die linke war eh schöner!, dann ist das kein Mangel an Mitgefühl. Es ist eine Schutzreaktion.


Lachen im Angesicht des Todes

Schwarzer Humor ist für Soldaten mehr als nur ein Ventil. Er schafft Distanz zur eigenen Angst. Er schützt vor dem emotionalen Kollaps nach einem Angriff, dem Verlust eines Kameraden oder dem Erleben sinnloser Gewalt.

Und er ist oft das Einzige, was in der Gruppe noch verbindet, wenn Worte nicht mehr ausreichen.

Wenn du nicht drüber lachst, fängst du an zu weinen, sagte ein Kamerad in Afghanistan. Und du darfst dir einfach nicht erlauben, zu weinen. Jedenfalls nicht dort.

Eine aus meiner Sicht falsche und daher sehr fragwürdige Aussage aber nun mal immer noch Realität.


Schwarzer Humor als Coping-Strategie bei Soldaten

Wer im Einsatzgebiet lebt, lernt schnell, dass nicht alles zu verarbeiten ist. Zumindest nicht sofort. Soldaten sind oft extremen Belastungen ausgesetzt. Zu diesen Belastungen zählen u.a.:
  • ständige Alarmbereitschaft
  • Schlafentzug
  • Tod von Kameraden
  • Anblick schwer verletzter Kameraden oder Zivilisten
  • eigene Schuldgefühle
In solchen Situationen greift der Verstand zu Strategien, um nicht zusammenzubrechen. Das sind sogenannte Coping-Mechanismen. Schwarzer Humor ist einer davon.

Wenn im Gefechtsstand jemand trocken sagt: Na, immerhin hat er jetzt dienstfrei. Für immer, dann ist das kein Mangel an Empathie. Es ist eine Art, Kontrolle über das Unkontrollierbare zurückzugewinnen.

Der makabere Witz erzeugt eine emotionale Distanz und das nicht um zu verdrängen, sondern um in der Situation funktionstüchtig zu bleiben. Er ermöglicht es, Gefühle wie Angst, Ekel oder Schuld kurzfristig abzupuffern, ohne sie komplett zu unterdrücken.

Zudem hat dieser Humor eine soziale Funktion. Er stärkt den Zusammenhalt unter Kameraden. Wer gemeinsam lacht – gerade dann, wenn es eigentlich nichts zu lachen gibt – schafft Nähe, Vertrauen und ein stilles Verständnis dafür, dass Worte oft nicht reichen.

In dieser Funktion wird schwarzer Humor zu einem unsichtbaren, einem inneren Schutzschild, den viele Soldaten mit sich tragen und das lange über den Einsatz hinaus!


Kein Einzelfall! Wenn Menschen im Beruf makaber werden

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Quelle: benjamin lehman auf Unsplash
Doch Soldaten sind nicht die einzigen, die so lachen. Auch im Rettungsdienst gehört schwarzer Humor zur Grundausstattung. Sanitäter, die immer wieder zu Suizidversuchen, verunglückten Kindern oder stumpfer Gewalt gerufen werden, entwickeln einen ganz eigenen Wortwitz.

Manchmal klingt das für Außenstehende herzlos. In Wahrheit ist es oft das Einzige, was sie emotional über Wasser hält.

Ein ähnliches Phänomen findet sich bei Tatortreinigern. Sie betreten Orte, die die meisten nie sehen wollen. Sie räumen auf, wo andere sich abwenden. Und sie brauchen dringend eine Sprache, mit der man dem Ekel, dem Grauen und auch der Einsamkeit begegnen kann.

Auch hier sind Ironie, schwarzer Humor, Zynismus als Sprachrohr der Seele.


Zwischen Coping und Abstumpfung

Natürlich hat schwarzer Humor seine Grenzen. Wenn er zur Gewohnheit wird, wenn niemand mehr trauert oder reflektiert, kann er zur Mauer werden, hinter der sich Verdrängung versteckt.

Es braucht Räume für beides, für Lachen und Verarbeitung. Aber so lange schwarzer Humor im Dienst der seelischen Stabilität steht, sollte man ihn nicht verurteilen, sondern zumindest versuchen zu verstehen.


Wie sollte man als Chef mit schwarzem Humor im Team umgehen?

Schwarzer Humor tritt also primär in belastenden Berufsfeldern auf. Und solch ein belastendes Berufsfeld kann in jeder Branche entstehen und ist damit nicht nur auf Militär, Rettungsdienst oder forensischer Arbeit begrenzt. Ich selbst habe das sogar in der IT schon mehrfach erlebt.

Als Führungskraft sollte man diesen Humor nicht vorschnell verbieten oder verurteilen, denn oft ist er ein Ausdruck von psychischer Selbstverteidigung.

Gleichzeitig trägt man aber auch Verantwortung dafür, dass er nicht entgleist. Deshalb ist es als Führungskraft ratsam, nach den folgenden 5 Prinzipien zu (re)agieren.


Verstehen, bevor man reagiert

Beobachte genau. Ist der Humor ein Mittel zur Stressbewältigung oder driftet er in Zynismus oder Grenzverletzungen ab? Schwarzer Humor kann emotional entlasten, aber auch ausschließen oder verletzen, wenn er etwa auf Minderheiten, Opfer oder Kollegen zielt.


Raum lassen, aber Rahmen setzen

Ein gesundes Maß an schwarzem Humor darf Platz haben, besonders unter Kollegen, die gemeinsam Belastungen erleben. Wichtig dabei ist, dass der Ton im Team bleibt. So sollte er vor Angehörigen, Klienten oder Außenstehenden nicht auftreten. Und, schwarzer Humor darf kein Ersatz für echte Kommunikation sein!


Vorbild sein im Umgang

Als Führungskraft musst du nicht alles mitlachen, aber verstehen, warum andere es tun. Du kannst signalisieren: Ich verstehe, dass das euer Ventil ist, aber achtet darauf, wo die Grenzen liegen. So schützt du die Teamkultur und einzelne Personen zugleich.


Aufmerksamkeit für Warnsignale

Wenn der Humor bitterer, aggressiver oder menschenverachtender wird, kann das ein Hinweis auf Überlastung oder Verdrängung sein. Hier hilft ein ruhiges Gespräch: Mir fällt auf, dass es in letzter Zeit etwas härter geworden ist. Wie geht’s dir eigentlich wirklich?


Alternativen fördern

Biete ergänzende Möglichkeiten zur Entlastung an. Dazu zählen bspw. Supervisionen, Reflexionsrunden oder einfach offene Gespräche. Humor kann kurzfristig helfen, aber langfristig braucht es auch Orte, an denen echte Verarbeitung möglich ist!


Also… Als Vorgesetzter musst du weder alles dulden noch alles kontrollieren. Aber du solltest verstehen, woher schwarzer Humor kommt und wann er gesund oder schädlich wird. Es geht nicht darum, schwarzen Humor zu verbieten, sondern darum, ihn in einem bewussten Rahmen zuzulassen und das mit Respekt für die Menschen, um die es geht.


Hast du Erfahrungen mit schwarzem Humor in deinem beruflichen Umfeld? Vielleicht auch in einem hier nicht erwähnten Umfeld? Dann würde ich mich über ein Nachricht von dir sehr freuen.


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