Der Halo-Effekt und der Horn-Effekt

Donnerstag, 28. April 2022
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Lesedauer: 6 Minuten

Wie in meinem Post Der Primacy-Recency-Effekt oder die Macht des Eindrucks angekündigt, wollte ich ja auch noch weitere psychologische Wahrnehmungseffekte ansprechen, denen wir täglich ausgesetzt sind und zwar immer dann, wenn wir etwas beurteilen oder entscheiden müssen. gerade wenn andere Menschen im Spiel sind, wird das immer interessant und niemand ist hier perfekt!

Der Halo-Effekt und der Horn-Effekt sind weitere Wahrnehmungseffekte in denen der Eindruck zwar auch eine Rolle spielt, das aber mehr auf Basis von uns bereits Bekanntem. Was der Halo- und der Horn-Effekt nun jeweils ist, wie die beiden Effekte funktionieren und was man tun kann, um ihnen weniger ausgesetzt zu sein, das möchte ich mit dir in diesem Post ergründen.

Beide Effekte sind wie der Primacy-Effekt im Vergleich zum Recency-Effekt prinzipiell die gleichen Effekte, die psychologisch, unterbewusst wirken und zu einer Störung der Entscheidungsfindung führen können. Diese Fehlentscheidungen können sowohl im Berufsleben als auch im Privatleben auftreten. Aber was sind diese beiden Effekte denn nun im Detail?


Was ist der Halo-Effekt?

Der Halo-Effekt ist ein sozial-psychologisches Phänomen, das auf Wahrnehmungsfehlern basiert. Erstmals beobachtet wurde der Effekt am Anfang des 20. Jahrhunderts von Frederic L. Wells, einem Psychologen, Assistenzprofessor an der Harvard Medical School und langjährigem Präsidenten der American Psychopathological Association und der Eastern Psychological Association.

Den Namen Halo-Effekt vergab aber letztlich ein paar Jahre später der amerikanische Verhaltensforscher, Psychologe und Professor Edward Lee Thorndike.

Er benannte den Effekt so, weil einzelne, als positiv wahrgenommene Eigenschaften wie beispielsweise Aussehen oder Verhalten so dominant auf uns wirken, dass sie das eigentliche Gesamtbild völlig überstrahlen und der zu beurteilenden Person förmlich einen Heiligenschein (Englisch: halo) verleihen. Er wird daher im Deutsch-sprachigen Raum auch Heiligenschein-Effekt genannt.

Bei diesem sozial-psychologisch als kognitive Verzerrung bezeichneten Effekt bedarf es auch keinerlei objektiver Merkmale oder unterstützender Hinweise zur Urteilsbildung. Es reicht eine bereits gemachte Erfahrung mit einer anderen Person völlig aus, um bei gleichem Auftreten einer anderen Person von der bekannten Person auf die unbekannte Person zu schließen.

Allseits bekannte Trigger für den Halo-Effekt sind...
  • muskulös = sportlich, fit
  • Brillenträger(in) = intelligent, schlau, wissbegierig
  • ausgezeichnet = grundsätzlich erfolgreich
  • großer Erfahrungsschatz = erfolgreich
  • aufrechte Körperhaltung = erfolgreich
Als ein gutes Beispiel kann man sich in der Gruppe der Schauspieler umschauen. So ist Jim Carrey ja eigentlich fast nur durch Comedy-Filme bekannt. Kaum jemand wird wissen, dass er ein passionierter Maler ist oder ein begnadeter, motivierender Redner. Letzteres stellte er bei seiner Eröffnungsrede für den Abschlussjahrgang 2014 der Maharishi International University (MIU) unter Beweis.

Ein weiteres Beispiel aus dem Kreise der Schauspieler ist meiner Meinung nach Keanu Reeves. Bekannt ist er aus Action-geladenen, teils brutalen Filmserien wie Matrix oder John Wick. Man verbindet mit ihm beinhartes Handeln und keine Mitmenschlichkeit. Letzteres stellte er aber immer wieder unter Beweis. So bot er einer Frau in der New Yorker U-Bahn seinen Sitzplatz an. Er sorgte nach einer Emergency-Landung seines Flug für sich und seine Mitreisenden für einen Transfer an die eigentliche Destination und lass währenddessen laut für alle aus einem Reiseführer der Destination vor. Ich glaube auch nicht, dass man von ihm glauben würde, dass er sich stundenlang zu einem Obdachlosen setzt und mit ihm tiefgreifende, unterstützende Gespräche führt. Tat er aber...


Was ist der Horn-Effekt?

Ganz ähnlich wie mit dem Halo-Effekt verhält es sich auch mit dem Horn-Effekt. Er ist quasi sein negativ bestückter Gegenspieler.

Auch hier wirken einzelne, als negativ wahrgenommene Eigenschaften wie beispielsweise auch wieder Aussehen oder Verhalten so dominant auf uns, dass sie das eigentliche Gesamtbild völlig überstrahlen und der zu beurteilenden Person förmlich die Teufelshörner (Englisch: devil's horns) aufsetzen. Er wird daher im Deutsch-sprachigen Raum auch Teufelshorn-Effekt genannt.

Dabei erfolgte die Namensgebung im Falle des Horn-Effekts aber auch wieder aufgrund dieses Überstrahlens von allem anderen, denn das Musikinstrument Horn kann in einer Philharmonie alles andere übertönen.

Auch hier handelt es sich um einen sozial-psychologisch als kognitive Verzerrung bezeichneten Effekt. Auch in diesem Falle bedarf es keinerlei objektiver Merkmale oder unterstützender Hinweise zur Urteilsbildung. Es reicht eine bereits gemachte Erfahrung mit einer anderen Person völlig aus, um bei gleichem Auftreten einer anderen Person von der bekannten Person auf die unbekannte Person zu schließen. Diesmal nur im negativen Sinne.

Allseits bekannte Trigger für den Horn-Effekt sind...
  • dick = maßlos, faul, willensschwach
  • blond = naiv, blöd
  • Lücken im Lebenslauf = makelhaft
  • laut = dominant
  • schüchtern = schwach
  • Tippfehler = Rechtschreibschwäche, mangelndes Fachwissen
  • Unpünktlichkeit = unzuverlässig
  • stark tätowiert = asozial
Als Beispiel hier würde ich auch wieder auf einen Schauspieler zurückgreifen wollen und einfach nur eine Frage stellen: Wer hätte gedacht, dass das Musterbeispiel eines Schwiegermutterlieblings einem Kollegen vor versammeltem Publikum und Millionenen Zuschauern weltweit vor den Fernsehern auf einer Bühne eine Ohrfeige gibt?


Warum kommt es zu Wahrnehmungsfehlern?

Kurz, weil unser Gehirn ein Meister im Priorisieren und Verarbeiten von Informationen ist. Aus Effizienzgründen versucht es nicht alle Reize oder Wahrnehmungen zu verarbeiten und schließt dabei aus Bekanntem auf das Unbekannte.

So entstehen Denkmuster und diese bedienen sich nur all zu oft Stereotypen und Klischees. Man könnte dies auch als Schubladendenken bezeichnen. In vielen Situation ist das für uns auch extrem hilfreich. Wenn unsereins in einer Gefahrensituation erst lange nachdenken und philosophieren müsste, ob es sich denn wirklich um eine Gefahrensituation handelt, wäre die Situation für unsereins bereits final abgeschlossen.


Was kann man gegen den Halo-Effekt oder den Horn-Effekt tun?

Die Antwort auf diese Frage wird dich nicht befriedigen! Sie lautet: Im Prinzip nichts!

Natürlich kann man versuchen, besonders achtsam zu sein, Entscheidungssituation sachlich zu bestreiten. Aber immer wenn andere Menschen im Spiel sind, die zu beurteilenden sind, werden wir fast zwangsläufig und vor allem unterschwellig dem Halo- oder Horn-Effekt ausgesetzt.

Und das Gute an diesen Effekten ist, dass sich immer erst das Gegenteil erweisen muss, eine Enttäuschung der eigenen Einschätzung erfolgen muss, um diesen Effekt im Nachhinein vielleicht an sich selbst analysieren zu können. Nur ist es dann beim Enkeltrick meistens schon zu spät...


Hast du Erfahrungen mit dem Halo-Effekt oder dem Horn-Effekt und deren Einflussnahme gemacht? Wie immer würde ich mich über Beiträge von dir und dein Feedback zu diesem Post sehr freuen.


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