Luftfahrt als Treiber?

Mittwoch, 08. April 2020
Serie Covid-19 S1 • E3
Google Maps Escheburg
post_0906_luftfahrt_als_treiber_1 Weltkarte des Luftverkehrs am 5. April 2020 gegen etwa 13:30 Uhr MESZ.
Quelle: Courtesy of Flightradar24.com

Lesedauer: 4 Minuten

Wenn man sich anschaut, wie modellhaft und schnell sich der Virus SARS-CoV-2 gerade auf der Welt verbreitet, dann ahnt auch der Blinde mit dem Krückstock, dass die Luftfahrt maßgeblich ihren Anteil am rasanten weltweiten Spread hat. Und damit meine ich nur den pandemischen Anteil, also die schöne Verteilung über die Länder der Welt, nicht aber die jeweiligen epidemischen Anteile, also die regionale Ausbreitung.

Jedem von euch wird mittlerweile aufgefallen sein, dass wir kaum noch Luftverkehr am Himmel sehen oder hören. Hier, bei mir im Speckgürtel von Hamburg, ist das sehr deutlich zu spüren. Es ist so deutlich zu spüren, dass ich nun die ein oder zwei Flugzeuge, die am Tag aktuell maximal noch über mein Dorf fliegen, sehr bewusst wahrnehme.

Der Luftverkehr hat sogar so weit abgenommen, dass Meteorologen hervorheben, dass das Ausbleiben von Kondensstreifen einen positiven Einfluss auf das aktuell so tolle, häufig wolkenlose Wetter hat. Klar, durch die Flugzeugabgase werden sogenannte Kondensationskerne in die Atmosphäre gebracht, an denen sich dann bei entsprechendem Feuchtigkeitsgehalt der Luft zunächst Wolken bilden und es dann letztlich bei entsprechender Sättigung sogar zum Abregnen dieser Wolken kommen kann.

Damit aber genug des meteorologischen Ausflugs und wieder zurück zur Luftfahrt an sich. Am 19. April 2020 hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr einen Corona-Notfallplan verkündet. Gemäß diesem Plan würde die Lufthansa-Gruppe 700 ihrer 763 Luftfahrzeuge innerhalb der nächsten Tage vorerst parken und damit aus dem laufenden Betrieb nehmen.

Der Flughafen Frankfurt am Main hat dazu extra die Nordwest-Landebahn gesperrt und damit im Betrieb quasi zum Vorfeld umdeklariert. Nur so bietet der Frankfurter Flugplatz ausreichend Platz, um die in Frankfurt stationierten Flugzeuge unterschiedlichster Fluggesellschaften abstellen zu können. Ihr habt da bestimmt Bilder von all den eng geparkten Flugzeugen gesehen. Erinnerten die euch auch an die Bilder aus den USA nach dem 11. September?

Angesichts dieser geringen Anzahl an betriebenen Flugzeugen habe ich Sonntagmittag aus lauter Neugier mal geschaut, wie viel Flugbetrieb weltweit denn noch so herrscht, wo der Lufthansa-Chef Carsten Spohr doch schon davon sprach, aktuell nur noch zweistellige Flugnummern zu benötigen und damit in etwa einen Flugplan wie im Jahre 1955 anzubieten. Und ich muss sagen, dass ich über die immer noch stattfindende Menge an Luftverkehr schon sehr sehr überrascht war!

Ich nutzte zur Prüfung zur Mittagszeit am letzten Sonntag den Internet-Dienst von flightradar24.com, der aufgrund der Nutzung unterschiedlichster Technologien fast alle Flugbewegungen kennt. Fast alle, weil es durchaus Flugbewegungen gibt, die von der Veröffentlichung bzw. sogar Erfassung ausgenommen sind. Dazu gehören zum Beispiel natürlich Militärflugzeuge, Regierungsmaschinen und Luftfahrzeuge, die durch keine der verwendeten Technologien erfasst werden können.

post_0906_luftfahrt_als_treiber_2 Für die Technikliebhaber unter euch: Liste der genutzte Technologien zur Erfassung der Anzahl an fliegenden Luftfahrzeugen am 5. April 2020 gegen etwa 13:30 Uhr MESZ.
So las ich gegen 13:30 Uhr am letzten Sonntag, dass aktuell 3.378 Flugzeuge in der Luft seien. Fast 3.400? Ernsthaft noch so viele? Ich spannte die Weltkarte auf und glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Schaut euch mein erstes Bild dieses Posts mal an... Da sieht man wunderbar, dass in China, den USA und Europa noch ganz schön was los ist. Auch die Menge der internationalen bzw. interkontinentalen Verbindungen – also hier die Cross Ocean-Verbindungen – überraschte mich sehr. Einzig über Afrika und Südamerika sah es halbwegs ruhig aus.

Ich suchte nach Flugstatistiken und wurde auch wieder beim Internet-Dienst von flightradar24.com fündig. Die entsprechenden Daten könnt ihr im dritten Bild dieses Posts sehen. Darauf zu erkennen ist ein auf sieben Tage gemittelter Tageswert (rote Linie) zu sehen.

Dieser Wert lag im Januar noch bei ungefähr 110.000 Flügen pro Tag. Mit der Ausbreitung und beginnenden Berichterstattung aus China sackt dieser Wert nur erstaunlich wenig auf etwa 105.000 Flüge pro Tag ab. Mitte März dann der steile Abfall der Anzahl täglicher Flugverbindungen. Klar, immer mehr Länder erließen Einreisebeschränkungen und die Airlines reagierten auf den einbrechenden Bedarf.

Mit Stand vom letzten Sonntag lag dieser gemittelte Wert nun nur noch bei 34.565 Flügen pro Tag. Auf den letzten Sonntag bezogen – also nicht gemittelt – waren es sogar nur 27.202 Flüge. Aber irgendwie sind das doch noch ganz schön viele oder?

Naja, das sind immerhin 31% des im Januar noch üblichen Luftverkehrs und in dieser Menge sind neben Flügen zum kommerziellen Personentransport (inkl- der aktuell durchgeführten Rückholflüge) auch Charter-, Fracht- und Businessflüge enthalten. Klar, etwa 70% weniger Flugverkehr, das sollte man wohl merken. Ich bin angesichts dieser zumindest für mich überraschend hohen Menge aber doch irgendwie sehr nachdenklich!

Ist es nicht gefährlich, jetzt noch so viel zwischen Ländern und Kontinenten hin und her zu fliegen und damit den Virus SARS-COV-2 gegebenenfalls weiter zu verbreiten? Sind Airlines mit ihren Flügen nicht wie eine Art Wirt für den Virus, der schnell große Distanzen überwindet und so eine weltweite Ausbreitung anfeuert?

Tja, das mit Sicherheit, nur scheinen das noch nicht alle Regierungen und logischer Weise auch nicht alle Airlines im Überlebenskampf so zu sehen. Ein Wirt kann ja drei Arten von Beziehung mit seinem Gast eingehen. Symbiotisch, parasitär oder kommensal. In diesem Falle ist das wohl als parasitär zu bezeichnen... Schließlich ist die Luftfahrt durch den Virus im wahrsten Sinne des Wortes am Boden und kann daher wohl auch nicht als Vektor bezeichnet werden?!

Aber hätte das alles in seinen katastrophalen Ausmaßen eingegrenzt werden können und wenn ja wie? Hätten Regierungen früher mit restriktiven Einreise-, Reise- und Kontaktbestimmungen reagieren sollen? Kann man Fluggesellschaften ethisch einen Vorwurf machen, ihren Betrieb nicht frühzeitiger eingestellt zu haben?

post_0906_luftfahrt_als_treiber_3 Anzahl an Flügen pro Tag (blau) und über sieben Tage gemittelte Anzahl an Flügen pro Tag (rot) im Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 5. April 2020.
Quelle: Courtesy of Flightradar24.com
Alles berechtigten Fragen, die sicher nicht nur ich stelle! Ich denke, dass ein frühzeitiges regulatives Eingreifen der Regierungen vieles hätte mildern können, das zeigen Beispiele wie Südkorea, Taiwan und sogar das Schwellenland Vietnam!

Das sagt sich aber so leicht und ich möchte nicht in der Haut unserer verantwortlichen Politiker stecken! Da muss genau zwischen möglichen Schäden auf der einen oder anderen Seite abgewogen werden und für die letztlich getroffene Entscheidung zum Shutdown habe ich nur mein höchstes Gut zu vergeben und das ist Respekt!

Und wenn jeder für sich mal ganz ehrlich ist, dann können wir uns doch (fast) alle an die eigene Nase fassen, oder? Und da nehme ich mich absolut nicht aus. Da ist mit einer selbstbewussten Arroganz etwas ganz allgemein auf die leichte Schulter genommen worden und jetzt bekommt jeder irgendwie seine Rechnung dafür.

Alle werden wirtschaftliche Folgen haben, einige sind während der erlebten Covid-19-Erkrankung durch die Hölle gegangen und einige haben den höchstmöglichen Preis gezahlt und zählen zu den aktuell 5,5% an Todesopfern. Bleibt zu hoffen, dass wir auch ein Learning erzielen werden?! Sind wir das den heute knapp 86.000 Todesopfern nicht schuldig?

Und über alledem steht für mich eine große Frage: All das und damit auch die Bedeutung der Luftfahrt bei Pandemien hätte doch bekannt sein können, oder? Wenn euch die Antwort auf diese provokante Frage nicht die Augen verdrehen lässt, dann wird euch einer meiner nächsten Posts sicherlich interessieren. Also nutzt die Isolation und schaut wieder rein!


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