Der Benjamin-Franklin-Effekt

Donnerstag, 21. Oktober 2021
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Lesedauer: 6 Minuten

Kennst du diese Situation? Du bist im Restaurant, hast lecker gegessen und getrunken und als es dann ums Bezahlen geht, guckst du in ein leeres Portemonnaie. Wolltest du nicht vor dem Restaurant-Besuch noch mal schnell bei der Bank vorbeischauen und Geld abheben?

Tja, nun ist es zu spät. Kartenzahlung ist nicht möglich. Bleibt nur noch ein Ausweg und der besteht aus der Frage an die Begleitung Kannst du mir evtl. 25 Euro borgen? Man bittet um einen Gefallen. Unangenehm oder?

Mitmenschen um einen Gefallen zu bitten ist für viele von uns eine sehr unangenehm Situation. Man sieht sich selber als unvorbereitet oder sogar als Schnorrer, wenn es um Geld geht. Noch schlimmer, man geht davon aus, dass die Gegenseiten einen selbst so sieht. Man muss diese Situation aber gar nicht als unangenehm empfinden, denn dank des Benjamin-Franklin-Effekts bist du in dieser Situation meistens eigentlich gleich mehrfach der Gewinner! Was der Benjamin-Franklin-Effekt ist, wie er wissenschaftlich nachgewiesen wurde und warum er funktioniert, das bringe ich dir in diesem Post näher.

Tja, unglaublich aber wahr, das Bitten um einen Gefallen wirkt sich meistens positiv auf das Sympathieempfinden des Gefragten gegenüber dem Bittsteller aus. Klingt sehr widersprüchlich und dennoch gibt es dieses psychologische Phänomen. Bekannt ist es unter dem Namen Benjamin-Franklin-Effekt. Aber was ist dieser Effekt denn im Detail?

Der Bejamin-Franklin-Effekt

Der Benjamin-Franklin-Effekt ist ein psychologisches Phänomen, wonach man einen anderen Menschen als sympathischer empfindet, wenn man diesem Menschen bereits einen Gefallen getan hat. Und welche Verbindung hat dieser widersprüchlich wirkende Effekt nun zu Benjamin Franklin?

Nun, Benjamin Franklin, seinerseits ein bedeutender US-Politiker und maßgeblich an der Erarbeitung der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung beteiligt, kannte diesen Effekt und nutzte ihn nach Überlieferungen häufig.

So wurde beispielsweise übermittelt, wie Benjamin Franklin einen anderen, bedeutenden, ihm gegenüber aber nicht sonderlich positiv gesonnenen Mann mit der Intention ihn auf seine Seite zu bringen fragte, ob er sich ein Buch aus dessen umfangreicher Bibliothek ausleihen dürfe. Der Mann war angesichts der Frage Benjamin Franklins sehr positiv überrascht und erlaubte es ihm mit einem Gefühl der Ehre. Benjamin-Franklin zeigte sich bei der Rückgabe des Buches sehr dankbar und fortan waren sie gute Freunde.

Da Benjamin Franklin offen über die Anwendung dieses Effektes berichtete und dies sogar für sich als Maxime bezeichnete, wurde dieser Effekt letztlich unter seinem Namen bekannt. Von ihm bekannt ist auch die Aussage Derjenige, welcher Dir einmal eine Freundlichkeit erwiesen hat, wird eher bereit sein, dir eine weitere zu erweisen als der, dem du selbst einmal gefällig warst. Aber existiert dieser Effekt wirklich?

Der wissenschaftliche Nachweis

Der wissenschaftliche Nachweis dieses Effekts wurde in mehreren Experimenten erbracht. Der bekannteste Nachweis gelang aber wohl den beiden Psychologen Jon Jecker und David Landy im Jahre 1969.

Die beiden Wissenschaftler teilten eine Gruppe von Quiz-Teilnehmern nach dem Quiz, bei dem auch Geld gewonnen wurde, in drei gleichgroße Gruppen ein.

Der ersten Gruppe sagte ein Mann, dass er mit seinen privaten Mitteln das Quiz finanziert habe und nun Pleite sei. Er bat die Quiz-Teilnehmer abschließend, ihm das gewonnene Geld beim Verlassen des Raumes doch wieder zurückzugeben.

Der zweiten Gruppe Gruppe erzählte ein Mann, dass die Universität das Quiz finanziert hätte und bat die Quiz-Teilnehmer in Zeiten knapper Mittel gewonnene Geld beim Verlassen des Raumes doch wieder zurückzugeben.

Die dritte Gruppe diente als sogenannte Kontrollgruppe, die ein Mann in keiner Weise um die Rückgabe des gewonnenen Geldes bat und die den Raum unbehelligt verlassen durfte.

Alle Quiz-Teilnehmer wurden im Nachhinein befragt, wie sympathisch ihnen der Mann war, der nach dem Quiz noch mit ihnen gesprochen hatte.

Nun sollte man denken, dass der Mann der dritten Gruppe, die höchsten Sympathiewerte erzielte, weil die Quiz-Teilnehmer das gewonnene Geld behalten durften. Aber nein! Der Mann aus der ersten Gruppe erzielte deutlich die höchsten Sympathiewerte. Das gleiche galt überraschender Weise auch für die abgefragte Zufriedenheit nach Verlassen des Raumes.

Aber wie erklärt sich die Wissenschaft die Funktionsweise dieses widersprüchlich klingenden Effekts?

Kognitive Dissonanz

Die erste Herleitung der Funktionsweise des Benjamin-Franklin-Effekts ist die kognitive Dissonanz. Dabei handelt es sich laut Definition ganz allgemein um einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der durch nicht vereinbare, also sich im Konflikt befindliche und damit dissonante Kognitionen hervorgerufen wird.

Kognitionen sind beispielsweise Wahrnehmungen, Gedanken und Einstellungen, die in irgendeiner Form mit einer Bewertung einhergehen.

Wenn man nun von einer anderen, vielleicht sogar wildfremden Personen um einen Gefallen gebeten wird und dieser spontan diesen Gefallen tut, dann kann man sich nur Sekunden später schon fragen, warum man das überhaupt getan hat?

Gezwungen wurde man nicht. Nein, man hat es absolut freiwillig getan. Eine kognitive Dissonanz entsteht, ein inneres Ungleichgewicht. Unser Gehirn ist aber immer bemüht, solche Ungleichgewichte auszugleichen und was liegt da näher, als es mit Sympathie der bittenden Personen gegenüber zu begründen. Einem Menschen, der einem unsympathisch erscheint würde man doch niemals einen Gefallen tun, oder?

Reziproke Zuneigung und Attraktivität

Die zweite Herleitung der Funktionsweise des Benjamin-Franklin-Effekts ist die reziproke Zuneigung und Attraktivität. Ohne Fremdwort heißt das wechsel- oder gegenseitige Zuneigung und Attraktivität. Mit anderen Worten: Wir mögen, wer uns mag.

Bittet dich, also ausgerechnet dich, nun Jemand um einen Gefallen, dann muss das ja eigentlich daran liegen, dass er dich als besonders befähigt oder vertrauenswürdig empfindet. Es handelt sich also irgendwie um ein indirektes Kompliment, man hat eventuell auch das Gefühl für den Bittenden wichtig zu sein und da kann man doch einen Gefallen nicht ausschlagen oder?

Instinkt des Helfens

Die dritte Herleitung der Funktionsweise des Benjamin-Franklin-Effekts ist der in uns Menschen steckende Instinkt, anderen helfen zu wollen. Dabei handelt es sich um einen Instinkt, der der Menschheit schon früh das Überleben sicherte.

Helfen löst dabei in (fast) jedem Gehirn ein uraltes Belohnungssystem aus und lässt in uns ein Gefühl des Glücks aufkommen. Wir betrachten uns selbst nach dem Gefallen-tun als generös und sind zufrieden mit unserer kleinen Geste.

Beipackzettel

Aber wie vieles, das auch in die Schublade Manipulation gelegt werden kann, so muss man mit der Anwendung des Effekts sehr bewusst umgehen! Die Anwendung kann extrem schnell genauso nach hinten losgehen. Deshalb folgende Hinweise zur Anwendung:
  • nicht zu oft in deinem Umfeld um einen Gefallen bitten, sonst fällt das auf und wird negativ empfunden
  • nicht zu große oder schwere Gefallen erbitten, das erhöht die Eintrittswahrscheinlichkeit

Wenn du also das nächste Mal in einer prekären Situation bist, scheue dich nicht, um einen Gefallen zu bitten. Das ist eine Win-Win-Situation und die Chancen stehen gut, dass du als doppelter Gewinner aus der Situation hervorgehst!

Der Benjamin-Franklin-Effekt ist sicherlich im Privatleben sehr hilfreich, zum Beispiel zum Gewinnen neuer Freunde oder beim Dating. Aber auch in der Berufswelt ist die Kenntnis dieses Effekts definitiv ein nützliches Mittel.

Abschließend würde ich dich gerne bitten, diesen Post mit zwei deiner Bekannten zu teilen. Beispielsweise mittels Twitter oder Pinterest. Würdest du mir diesen kleinen Gefallen tun? Danke!

Hast du eventuell schon Erfahrung mit dem Benjamin-Franklin-Effekt gemacht? Wie immer würde ich mich über Beiträge von dir und dein Feedback zu diesem Post sehr freuen.


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